Als Ehefrau des langjährigen Landrates des Kreises Göppingens hat Irmgard Weber viele Jahre lang ihren Mann „bei fast allen Terminen begleitet“. Ihr war gleichwohl wichtig, sich einen eigenen Lebensbereich aufzubauen, der mit diesen vielfältigen Aufgaben nichts zu tun hatte. So wurde sie „Grüne Dame“, besuchte also ehrenamtlich Patientinnen und Patienten der Göppinger Klinik am Eichert. Vor allem aber engagierte sie sich über 20 Jahre lang als stellvertretende Vorsitzende des DRK-Kreisverbandes Göppingen. Sie hatte zuvor wenig Kontakt zum DRK. „Aber in der Satzung steht, dass ein Stellvertreter eine Frau sein muss. Und es war üblich, dass dies die Frau des Landrates ist. Ich habe es aber nie bereut, diese schöne Aufgabe übernommen zu haben“, betonte sie im Sommer 2016 anlässlich ihres Ausscheidens aus ihrem Amt. Sie freute sich gleichzeitig, dass es ihr gelungen ist, mit Heike Till, eine kompetente und engagierte Nachfolgerin gefunden zu haben.
Als „Frau des Landrats“ hat sie sich nie gefühlt, auch wenn sie sich durchaus gerne in die Pflicht nehmen ließ. Irmgard Weber ist in Uhingen als Tochter eines Handwerksmeisters und „typisches Nachkriegskind“ aufgewachsen. „Wir waren viel draußen, haben uns in der Natur aufgehalten. Als Rollschuhfahrerin hatte ich den ganzen Sommer offene Knie. In den Ferien war ich häufig auf den Baustellen meines Vaters dabei“. Sie erinnert sich: „Ich war der Liebling aller Gipser“. Ihre Kindheit und Jugend verbindet sie mit schönen Erinnerungen, wenn sie sich ihren Berufswunsch auch nicht erfüllen konnte. „Mein Traum war Kommissarin bei der Kriminalpolizei zu werden. Das war aber damals undenkbar“, sagt sie lachend. Deshalb entschied sie sich nach der Realschule für eine Bürotätigkeit. Sie arbeitete zunächst bei der Göppinger Firma Schuler, wechselte dann 1971 in das Vorzimmer des Rektors der Universität Stuttgart. Bis 1977 versah sie diese anspruchsvolle Tätigkeit.
Zwischenzeitlich hatte sie ihren Mann Franz Weber kennen gelernt. „Es war Liebe auf den zweiten Blick“, verrät sie herzlich lachend. 1976 hatte das junge Paar geheiratet und hatte ein Jahr später mit Sohn Stefan in Rechberghausen eine Familie gegründet. Zwei weitere Söhne wurden geboren. Heute übernimmt sie auch gerne „Großmutterpflichten“ an ihren Enkeln.
„Damals war es keine Frage, dass man als Frau bei der Familie zu Hause bleibt“, erinnert sich Irmgard Weber. Zudem habe sie Eltern und Schwiegereltern versorgt und als dann ihr Mann 1985 zum Landrat gewählt wurde, „war keine Zeit mehr an, an eine eigenständige Berufstätigkeit zu denken". Die neue Aufgabe brachte Veränderungen. „Unser Leben und auch meines hat sich durch dieses Amt verändert – und auch die Umwelt, ich mich aber nicht“. Nie hat sie Vorteile aus ihrem „Status“ eingefordert. Im Gegenteil. „Die „Grünen Damen“ wussten lange nicht, dass ich mit dem Landrat verheiratet war. Gleichwohl hat ihr dies sicher manche Türe geöffnet. Denn manchmal ist es tatsächlich von Vorteil, wenn man bekannt ist. Vor allem wusste ich aber immer genau, wen ich ansprechen musste“. Dies galt auch im Engagement für das Rote Kreuz. Den Verpflichtungen, die sich daraus ergaben, hatten sich private Termine unterzuordnen. Und so ist dann auch schon einmal das eine oder andere Frisch-Auf-Spiel ausgefallen.
In den über zwei Jahrzehnten beim Roten Kreuz hat sich viel verändert. Am Anfang traf sich das Präsidium zu zwei Sitzungen im Jahr. Der Präsident und der Geschäftsführer regelten alle täglichen Aufgaben. Erst nach und nach wandelte sich dies und die Vorstandsmitglieder wurden immer mehr in Entscheidungsprozesse eingebunden – insbesondere seit dem Zeitpunkt, als das Geschäftsführende Kreisverbandspräsidium gegründet worden war. „Dieser Weg war absolut richtig. Denn so konnten wir als Präsidiumsmitglieder die Interessen des DRK schon frühzeitig nach außen vertreten und nicht selten bereits im Vorfeld Kontakte zu Entscheidungsträgern knüpfen“. Etwa, als es darum ging, vor fünf Jahren den Ambulanten Pflegedienst des DRK-Kreisverbands zu gründen. Oder 2013 das Landesmuseum in Geislingen. Irmgard Weber war auch maßgeblich in die Entscheidungsprozesse eingebunden, die Kleider- und Tafelläden im Landkreis zu gründen, die „Helfer vor Ort“ einzuführen, die Rot-Kreuz-Stiftung ins Leben zu rufen oder einen dritten Notarztstandort in Süßen auf den Weg zu bringen. Sie trug die Entscheidungen mit, in Hattenhofen, Schlierbach und Süßen für die Ortsvereine neu zu bauen und hat erlebt, dass „mit dem neuen Geschäftsführer Alexander Sparhuber im Jahre 2002 eine ganz neue Ära anfing“. Sie war dabei, wenn es um kurzfristige Hilfsaktionen ging wie 2005, als bei einer Sammlung für die Opfer des verheerenden Tsunamis in Asien „mehr als 17.000 Euro gesammelt wurden“. Oder sie organisierte ein Benefizkonzert der Lumberjack Bigband und der „Drei Diven“ zugunsten des DRK im Uditorium in Uhingen.
Als besonderes Highlight ist ihr das 150-jährige Bestehen des DRK, das in Stuttgart gefeiert wurde und an dem der Bundespräsident teilnahm, in Erinnerung geblieben. Oder die Begegnungen mit Christiane Herzog, Ehefrau des früheren baden-württembergischen Innenministers und spätere Bundespräsidenten Roman Herzog. Es sind aber weniger die großen Ereignisse, die ihre Arbeit ausmachten als vielmehr die vielfältigen Aufgaben, die sie übernommen hatte und vor allem waren es die Begegnungen mit den Menschen – auch bei den über 40 Blutspenden, an denen sie selbst Blut spendete.
Jetzt ist Irmgard Weber wieder selbst Herrin ihres Kalenders, wenngleich sie ihr Amt mit einem lachenden und weinenden Auge niedergelegt hat. „Ich möchte die Zeit beim DRK nicht missen. Ich habe dort sehr viel gelernt. Und es hat mich immer wieder beeindruckt, in welchem Maße sich die Ehrenamtlichen dort einbringen. Aber auch der professionelle Einsatz der hauptamtlichen Mitarbeiter in den ganz unterschiedlichen Bereichen ist vorbildhaft“, betont sie.
In ihrem Engagement war ihr insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit wichtig. „Es reicht heutzutage nicht mehr, gute Arbeit zu leisten. Über sie muss immer wieder breit informiert werden. Dafür haben wir einen eigenen Ausschuss gegründet, denn der Wettbewerb wird härter. Auch dem DRK brechen die älteren Mitglieder weg, ohne dass im gleichen Maße sich jüngere Menschen einbringen. Diese versuchen wird, über Image-Filme oder Kinospots zu erreichen. Aber der Aha-Effekt kommt wohl erst im Alter. Dann stellt man fest, dass man das DRK braucht“, erlebt sie immer wieder. Zur Öffentlichkeitsarbeit hat auch die Teilnahme am Kreisfeuerwehrtag mit einer kleinen Gruppe gehört und das einheitliche Erscheinungsbild des DRK. „Wichtig war auch, dass wir uns in das Fest der Klinik am Eichert eingeklinkt haben. Wir profitieren beide davon und das Fest ist heute ein großer Erfolg“. Die Weiterentwicklung der Öffentlichkeitsarbeit werde in Zukunft das A und O sein. „Es wird nicht mehr reichen, sich zu engagieren, das Engagement muss auch offensiv nach außen getragen werden“. Auch in der Gründung der Stiftung sieht sie einen wichtigen Baustein, um den Kreisverband für alle künftigen Aufgaben gut zu rüsten.
Auf die Frage, ob das DRK neue Themen aufgreifen müsste, reagiert Irmgard Weber mit Skepsis. „Wir sind ja bereits sehr breit aufgestellt, andererseits muss das DRK auch in Zukunft mit der Zeit gehen und sich den gesellschaftlichen Entwicklungen stellen. Das heißt, dass man auch künftig wohl immer wieder Neues wagen und Bisheriges auf den Prüfstand stellen muss. Bei der derzeitigen Geschäftsführung mach ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Sie hat das richtige Augenmaß und wird das DRK in eine gute Zukunft führen“.
In ihrer ganz persönlichen Zukunft wird neben den Enkeln der Sport weiter eine wichtige Rolle spielen. Sie geht zur Gymnastik, walkt – „ohne Stock“ – wandert und fährt Rad. Entspannung findet Irmgard Weber auch beim Handarbeiten und in der Gesellschaft von guten Freunden. Und nicht zuletzt, wenn sie einen guten Krimi liest oder sieht.
Rechberghausen, Sommer 2016