Menschlichkeit. Unparteilichkeit. Neutralität. Unabhängigkeit. Freiwilligkeit. Einheit. Universalität.
Das sind seit 50 Jahren die sieben Grundsätze der Rotkreuzbewegung. So wurden sie 1965 bei der 20. Internationalen Rotkreuzkonferenz in Wien festgelegt und gelten für alle 194 Vertragsstaaten, die das Genfer Abkommen unterzeichnet haben und die jeweiligen Rotkreuz- oder Rothalbmond-Gesellschaften.
Das erläuterte Dietmar Merten, DRK-Konventionsbeauftragter im Kreisverband Göppingen, und führte damit in das Vortragsthema des Abends ein. Als Referent hatte er Dr. Johannes Richert gewinnen können, einen Mann, der als Bereichsleiter „Nationale Hilfsgesellschaft“ diese Grundsätze täglich in der Praxis erlebt.
„Menschlichkeit ist der ethische Imperativ dafür, jedermann zu helfen, der in Not ist“, führte dieser aus, um aber gleich einzuschränken: „Die anderen Grundsätze haben mit Ethik nichts zu tun. Sondern einfach mit der Entwicklung des Roten Kreuzes beziehungsweise des Roten Halbmondes.“
Richert redete frei, gestenreich und veranschaulichte seine Ausführungen per Power Point. „Neutralität zum Beispiel klingt gut“, erklärte er, „kann aber subjektiv als ziemlich unethisch wahrgenommen werden.“ Sein schockierendes Statement untermauerte er mit Beispielen: „Wenn wir üble Folter sehen in Darfur zum Beispiel, dann nehmen wir dazu keine Stellung. Wir können uns im Irak oder in Syrien auch nicht gegen die jeweiligen Konfliktparteien aussprechen. Nur wenn wir neutral sind, können wir helfen.“
Neutralität sei nichts Tolles, sondern einfach nur Mittel zum Zweck, um den Zugang zu Hilfsbedürftigen zu erhalten, klärte er auf.
Auch die „Unabhängigkeit“ sei im Prinzip ein Paradoxon. Alle Staaten bestätigen ihren jeweiligen nationalen Rotkreuz-Gesellschaften die Unabhängigkeit, „obwohl wir gleichzeitig ein staatlicher Auxiliar, also eine staatliche, wenn auch Nichtregierungs-Hilfsorganisation sind.“
Weil die sieben genannten Prinzipien jedoch durchweg für die gesamte Rotkreuz- (und Rothalbmond-) Bewegung gelten, sei das Rote Kreuz das größte humanitäre Solidarnetz der Welt. „Wenn eine Schwestergesellschaft in Not gerät, sind alle Partner verpflichtet zu prüfen, ob sie helfen können“, erläuterte er. Dabei sei das DRK nicht spontan, sondern folge militärisch diszipliniert einem Abruf. „Die Nepalesen etwa koordinieren vor Ort und wir liefern erst dann, wenn sie sich bei uns melden und konkret sagen, was sie von uns benötigen.“
Die Schwerpunkte des DRK bei Auslandseinsätzen liegen im Humanitären Bereich (Lebensmittelpakete zum Beispiel oder medizinische Nothilfen), in der Rehabilitation (Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur wie etwa nach dem Taifun auf den Philippinen) und in der Entwicklungszusammenarbeit (Katastrophenvorsorge).
Momentan sei das DRK in fast 50 Ländern der Welt mit Delegierten aus Deutschland im Einsatz, erzählte der Referent und berichtete von der Ukraine, Syrien, Kolumbien oder dem kenianischen Flüchtlingslager Dadaab. Die Arbeit in Krisenregionen beginne grundsätzlich nur auf Anfrage der Schwesterngesellschaft oder des Dachverbandes, also der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften oder des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Die Organisation arbeite immer eng mit anderen starken Schwestergesellschaften zusammen, alle hielten sich an oben genannte Grundsätze und alle Konfliktparteien seien über den Einsatz informiert.
Grundsätzlich gelte, dass das Rote Kreuz beziehungsweise die Helfer des Roten Halbmondes Zugang zu allen Hilfsbedürftigen haben – völlig unabhängig davon, zu welcher Konfliktpartei diese gehören. „In der Praxis in Syrien ist es momentan jedoch so, dass die vielen Konfliktparteien den Grundsatz der Neutralität nicht verstehen. Die Helfer des Syrischen Roten Halbmondes setzen bei jedem Einsatz ihr Leben aufs Spiel, weil die Kämpfer nicht akzeptieren, dass sie dem jeweiligen Gegner auch helfen. 40 Helfer wurden schon umgebracht, viele inhaftiert.“ Mit diesem tragischen Beispiel nicht gelebter Konvention beendete Dr. Richert seine Ausführungen.
Auf dieser Grundlage bekamen der Dank, die Anerkennung und der Respekt, den der Bundestagsabgeordnete Hermann Färber bereits im Vorfeld den Konflikthelfern ausgesprochen hatte, nochmal ein ganz neues Gewicht.