Die Stadt Wiesensteig bewirbt seit neuestem sogenannte Notfalldosen auf ihrer Internetseite. Darin sollen vorwiegend für den Rettungsdienst wichtige Informationen zur Krankengeschichte hinterlegt werden. Fragt man in Wiesensteig nach, blieb der große Ansturm jedoch aus: Von 50 bestellten Notfalldosen habe man in den ersten zwei Wochen, seitdem die Stadt das Angebot bekannt gemacht hat, nur etwa zehn Stück an Wiesensteiger abgegeben.
Die Behältnisse sollen vorwiegend dem Rettungsdienst helfen, die Krankengeschichte und die laufende Medikation eines Notfallpatienten schnell erfassen zu können. In ihnen kann ein Formular mit den wichtigsten medizinischen Daten eingelegt werden. Idealerweise kommt die Dose im Anschluss in den Kühlschrank, an dem ein Aufkleber die Rettungskräfte darauf aufmerksam machen soll, wo sie den Behälter finden können.
Dass in Wiesensteig die Nachfrage eher verhalten ausgefallen ist, erklärt sich die Verwaltung unter anderem damit, dass in den umliegenden Gemeinden dieses Angebot schon länger existiere. Interessenten hätten sich vermutlich schon dort mit einer solchen Dose versorgt. Dabei bieten die wenigsten Kommunen in der Region die Behälter überhaupt an. Neben Wiesensteig sind dies nur Hohenstadt und Drackenstein, wo das Angebot tatsächlich gut angenommen werde, wie die Verwaltungen beider Kommunen auf Anfrage bestätigen. Ansonsten herrscht allenthalben Ebbe bei diesem Service. Wobei eine Gemeinde offenbar zumindest damit liebäugelt, diese künftig anzubieten. Gingens Bürgermeister Marius Hick habe sich dieses Themas bereits angenommen und zur „weiteren gemeinsamen Bearbeitung“ an die Seniorenvertreter der Gemeinde weitergegeben, heißt es aus dem Rathaus.
Digitale Lösung
Kritischer sieht man dieses Angebot in Geislingen, wo ebenfalls keine Notfalldosen ausgegeben werden. „Im Zuge der Digitalisierung gibt es sichere und zeitgemäße Alternativen zur Notfalldose“, antwortet die Verwaltung der Fünftälerstadt auf Anfrage. Persönliche Gesundheitsdaten, deren Kenntnis im Notfall wichtig seien, könnten unter anderem auf der elektronischen Gesundheitskarte, auf Notfallarmbändern oder auch in Notfall-Apps gespeichert und gegebenenfalls aktualisiert werden. „Rettungskräfte können auf diese wichtigen Gesundheitsdaten der betroffenen Person unabhängig vom physischen Aufbewahrungsort zugreifen.“ Langfristig hält die Stadtverwaltung diese digitalen Lösungen für effizienter und zeitgemäßer als eine Dose, die im heimischen Kühlschrank aufbewahrt wird.
Damit spricht die Geislinger Verwaltung einen Punkt an, der ohnehin fraglich erscheinen lässt, welchen Vorteil diese Dosen im Ernstfall bieten sollen. Denn bei Notfalleinsätzen seien der Patient oder anwesende Angehörige beziehungsweise Pflegekräfte die ersten Ansprechpartner für Kräfte des Rettungsdienstes. Das berichtet Andreas Bachmann, Leiter des Rettungsdiensts beim DRK-Kreisverband Göppingen. „Diese können, sofern Vorerkrankungen bestehen und regelmäßig Medikamente eingenommen werden, häufig auch sehr verlässlich Auskunft geben.“
Auch eine gut gepflegte Dokumentation der Pflege, ein ärztlicher Entlassungsbrief oder der Medikamentenplan des Hausarztes sei für den Rettungsdienst in vielen Fällen nützlich, erklärt Bachmann.
Dennoch: „Die Notfalldose kann in jenen Fällen eine hilfreiche Ergänzung sein, in denen der Patient keine Auskunft geben kann oder keine von den vorher genannten Unterlagen vorliegen.“ Allerdings richte sich bei einem Notfalleinsatz der Blick der Rettungskräfte nicht in erster Linie auf die Küche und den Kühlschrank. Bachmann: „Es müsste also an prägnanter Stelle ein Hinweis auf die Notfalldose im Kühlschrank angebracht sein und die Unterlagen in der Notfalldose müssten auch immer aktuell gehalten werden. Ob das immer funktioniert, darf zumindest infrage gestellt werden.“