„Die Bilder im Fernsehen machen betroffen, aber sie bereiten nicht annähernd darauf vor, was einen vor Ort erwartet.“ Alexander Schmidt engagiert sich seit vielen Jahren beim DRK-Kreisverband Göppingen, ist als Mitarbeiter der Notfallnachsorge (Psychosoziale Notfallversorgung) immer dann da, wenn vielleicht die Worte fehlen und blickt auf ungezählte Einsätze mit Menschen in Extremsituationen zurück. Die Betroffenheit nach seinem Einsatz an der Ahr ist dem erfahrenen DRKler aber deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich habe noch nie so viel Leid und Zerstörung an einem Ort gesehen. Es ist nicht in Worte zu fassen.“ Und: „So einen Einsatz hatten wir noch nie. Es war unvorstellbar.“
Am vergangenen Mittwoch waren er und weitere sechs Mitarbeitende der Notfallnachsorge des DRK-Kreisverbandes Göppingen zusammen mit einem Team der kirchlichen Notfallseelsorge des Landkreises ins Katastrophengebiet im Ahrtal gefahren. „Wir wurden vom DRK-Landesverband Baden-Württemberg angefragt, da das Führungs- und Lagenzentrum über das Innenministerium eine entsprechende Anforderung aus Rheinland-Pfalz erhalten hatte.“ Für Alexander Schmidt wie auch für Damaris und Gerd Walter war es überhaupt keine Frage, sich für diesen Einsatz zu melden. „Helfen zu können, ist ein gutes Gefühl“, sagt das Eislinger Ehepaar, das seinen Handwerksbetrieb für ein paar Tage schloss.
Seit einem Jahr erst engagieren sie sich in der Notfallnachsorge des DRK. „Wir haben mehr als einmal schlucken müssen“, berichten sie. Etwa, als sie sahen, „dass ein älterer Herr seit drei Wochen auf einer nassen Matratze auf dem Fußboden schläft“. Oder, wenn Menschen stoisch vor ihrem Haus sitzen, weil es abgerissen werden muss und in den Nachbarhäusern fleißig an der Sanierung gearbeitet wird. „Die Verzweiflung ist spürbar.“ Es sind diese ganz persönlichen Geschichten, die ihnen in Erinnerung bleiben. „Es war surreal, nach vier Tagen nach Hause zu kommen. Wir hatten das Gefühl, ganz lange fortgewesen zu sein. So viel passiert normalerweise nicht in so kurzer Zeit.“
Nach einem Tag der Anreise im Verband mit insgesamt etwa 20 Fahrzeugen aus dem ganzen Land von der Landesfeuerwehrschule Bruchsal aus waren die Helfer*innen aus Göppingen am Abend des 4. August in Mendig, etwa 50 Kilometer vom Einsatzgebiet im Ahrtal entfernt, eingetroffen. „Dort ist die Einsatzleitung der PSNV verortet und dort ist auch ein Container-Dorf aufgebaut, in dem wir schliefen“, berichtet Alexander Schmidt.
Am Tag darauf fuhren die Einsatzkräfte ins Katastrophengebiet – und waren geschockt. „Aus der trügerischen Idylle heraus sahen wir plötzlich das ganze Ausmaß der Zerstörung“, so Gerd Walter. Das Fernsehen zeige zwar die Gesamtsituation. „Die Realität ist aber eine ganz andere.“ Für ihn und seine Frau Damaris war es der Staub, der sich in alle Ritzen setzt, der sie besonders belastete. Alexander Schmidt hat noch den Geruch von Heizöl und vermodertem Holz in der Nase.
Gemeinsam mit seinem Team war der stellvertretende Leiter der PSNV im DRK-Kreisverband Göppingen für insgesamt über 120 betroffene Bürger*innen und Helfende in zwei Tagen wichtiger Ansprechpartner. Wie für „ein paar blutjunge Soldaten. Sie richteten einen Friedhof, der komplett überflutet und zerstört war wieder so her, dass die Menschen wenigstens wieder ihre Grabsteine finden.“
Großen Respekt hat er in der Nachschau nicht nur vor den zahlreichen professionellen Helfern, sondern auch vor all den Privatpersonen, die ohne lange zu fragen, einfach helfen. Wie ein Caterer, der mit seinem Imbisswagen und tausend Würsten einfach nach Altenahr gekommen war und die Menschen zwei Tage lang mit Curry-Wurst und Pommes versorgte. „Dass so viele Menschen aus der ganzen Republik kommen und einfach helfen, das ist bei allem Schrecken eine tolle Erfahrung.“
Bei aller Erschöpfung und Betroffenheit – „wir waren genau an dem Punkt, an dem wir helfen konnten. Das ist ein gutes Gefühl“, betonen die PSNVler. Sie werden bei einer Nachbesprechung des Einsatzes über ihre Gefühle und Emotionen mit einem Supervisor sprechen können. Und dann auf ihren nächsten Einsatz warten und für Menschen da sein, wenn das eigentlich Unsagbare in Worte gefasst werden will.