An den Einsatz vor acht Jahren erinnert sich Andreas Bachmann, Leiter des Rettungsdienstes beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Göppingen, noch genau. „Da ist man sofort in Action und steht auch massiv unter Stress“, erinnert er sich. Ein kleiner Junge hatte eine Murmel verschluckt und schwere Atemprobleme. Die Nasenflügel des Kindes wackelten stark. Der 46-Jährige nahm es an den Füßen und hielt es kopfüber, legte es auf den Unterarm. „Da kam die Murmel schon heraus.“
Das Problem in solchen Situationen, die lebensbedrohlich werden können: Kinder reagieren sehr stark auf den Sauerstoffmangel, erzählt Bachmann. Was Erwachsene noch kompensieren könnten, führe bei kleinen Menschen schnell zu ernsten Problemen. „Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen“, weiß Bachmann, der seit 1998 im Rettungsdienst tätig ist. Anatomisch gebe es Unterschiede und somit auch in der Versorgung der Patienten.
Bei solchen Einsätzen kämen für die Retter noch weitere Probleme hin: „Man betreut häufig zwei Patienten“, erzählt der Notfallsanitäter. Eltern oder Betreuer seien völlig überfordert in solchen Momenten und benötigten ebenso Unterstützung.
Zum Glück blieben Einsätze rund um das Thema Verschlucken bei Babys und Kleinkindern eher die Ausnahme, was auch die Zahlen des DRK belegen.
In den Jahren 2018 bis 2022 gab es rund um das Thema Verschlucken insgesamt 24 Fälle bei Kindern verbunden mit drohender Lebensgefahr oder Lebensgefahr. 30 Fälle, bei denen Kinder Gegenstände verschluckten, lagen im Bereich der „mäßigen Störung“, wie das DRK dokumentierte. Die Kinder hatten zwar einen Fremdkörper verschluckt, etwa beobachtet durch die Eltern, das Kind wies aber keine akute vitale Gefährdung auf. Diese Kinder werden dann zur weiteren Beobachtung und gegebenenfalls Fremdkörperentfernung – wenn dieser nicht auf natürlichem Wege ausgeschieden wird – in die Klinik transportiert.
Trotz der Tatsache, dass die Zahlen verhältnismäßig niedrig seien, sei es wichtig, dass Eltern und Betreuer für das Thema sensibilisiert würden, sagt Andreas Bachmann. „Kleinkinder sind besonders häufig von Notfällen durch das Verschlucken von Fremdkörpern betroffen, denn sie erkunden ihre Umwelt gerne mit dem Mund.“ Damit ein Notfall erst gar nicht entstehe, sollte man Babys und Kleinkinder nicht unbeaufsichtigt lassen, sagt er. „Kleinkram in der Wohnung niemals offen liegen lassen sowie auf kindersicheres Spielzeug achten“, empfiehlt der Rettungsdienstleiter.
Bettina Steinbacher leitet beim Roten Kreuz Kurse für Erste Hilfe am Kind. Auch sie spricht davon, dass Prävention bei diesem Thema ungemein wichtig ist. „Es sollte möglichst nichts passieren.“ Das möchte sie bei der Aufklärung der Eltern erreichen. „Verschlucken ist ein Angstthema“, das merkt die Ausbilderin immer wieder in den Gesprächen. Dabei kämen Stürze und Verbrennungen bei Kindern viel häufiger vor.
„Die Kleinen verschlucken sich natürlich öfter. Die müssen essen auch erst lernen, der Schluckreflex ist anfangs noch unkoordiniert“, weiß Bettina Steinbacher, die selbst Rettungssanitäterin ist. Sie weist darauf hin, dass Kinder unter drei Jahren nie unbeaufsichtigt gelassen werden dürfen – schon gar nicht beim Essen.
Im DRK-Elterncampus oder auch in den klassischen Kursen im DRK-Zentrum am Eichert erklärt die Hattenhofenerin den Teilnehmern, wie sie in welcher Situation reagieren sollten. Was zum Beispiel gar nicht erst auf dem Teller liegen sollte bei kleinen Kindern, von Nüssen etwa bis hin zu ungeschnittenen Trauben.
Sollte doch etwas verschluckt worden sein, gibt es Techniken, die aber erst nach einer Abfolge von Schritten zum Einsatz kommen. „Zuerst wird das Kind ermuntert, zu husten. Die Eltern sollten immer beobachten, wie das Kind aussieht, ob es noch sprechen kann.“ Durch Klopfen mit der flachen Hand auf den Rücken könne geholfen werden oder auch einmal mit dem Finger durch den Mundraum fahren, um zu spüren, was dort ist. Sollte das Kind nicht mehr sprechen, rot oder blau anlaufen, sei das ein akuter Notfall und Eltern sollten dringend den Notruf wählen.
Einen Handgriff – das Heimlich-Manöver – für Notsituationen lerne man im Erste-Hilfe-Kurs. Den könne man bei Kindern ab einem Jahr anwenden. Unter einem Jahr komme die Thoraxkompression zum Einsatz. Auch sie sollte unbedingt an Puppen im Kurs geübt werden. Steinbacher berichtet aus ihrer Zeit als Kursleiterin: „Ich appelliere auch immer an die Eltern, in Notfällen Ruhe zu bewahren. Das Verhalten überträgt sich nämlich direkt aufs Kind.“
Regelmäßige Angebote zur Prävention
Schulungen Das Rote Kreuz im Landkreis schult Eltern regelmäßig bei Präsenzkursen und auf dem Elterncampus per Videokonferenz. Der nächste Kurs für „Erste Hilfe am Kind“ im DRK-Zentrum am Eichert findet am Mittwoch, 27. März, von 8 bis 16 Uhr statt. Anmeldung: www.drk-goeppingen.de.
Online-Campus Der Elterncampus entstand in der Corona-Pandemie als Plattform, auf der Eltern und Familien Unterstützung finden. Kurse zu „Erster Hilfe am Kind“ finden dort jede Woche statt. Auch Bettina Steinbacher vom Göppinger DRK-Kreisverband leitet immer wieder solche Online-Kurse. Der nächste unter ihrer Leitung findet am 20. und 21. März, jeweils von 10 bis 11.30 Uhr, statt. Anmeldung: www.drk-elterncampus.de.