· PM 2021

Hilfe für Erdbebenopfer

Mitte Mai transportierten die DRK-Kreisverbände Göppingen und Esslingen medizinische Hilfsmittel in ein von einem Erdbeben zerstörte Gebiet südöstlich der kroatischen Hauptstadt Zagreb.

Raimund Matosic ist erfahren, auch in Auslandseinsätzen. Was der Kreisbereitschaftsleiter Mitte Mai in der Nähe der kroatischen Hauptstadt Zagreb zu sehen bekam, hat allerdings selbst den erfahrenen Rotkreuzler schockiert. Ende Dezember hatte dort ein Erdbeben innerhalb weniger Sekunden in bis dahin nicht gekannter Stärke die Kleinstadt Petrijna – dem Epizentrum - in Schutt und Asche gelegt. Das European-Mediterranean Seismological Centre (EMSC) hatte eine Stärke von 6,4 auf der Richterskala gemessen. Das deutsche Geoforschungszentrum GFZ gab die Tiefe des Bebens mit zehn Kilometer unter der Erdoberfläche an. Selbst die Häuser, die nicht komplett zerstört wurden, müssen zum großen Teil abgerissen werden, weil sie nicht mehr stabil sind. Sie dürfen nicht einmal mehr betreten werden. Die Menschen haben also ihr ganzes Hab und Gut verloren.

Auch die nahe Kreisstadt Sisak wurde in Mitleidenschaft gezogen. Insbesondere die Krankenhäuser wurden schwer beschädigt. „Von normalerweise 450 Betten sind nur etwa 70 zu nutzen.“ Die Kardiologie und die Intensivstation mussten geschlossen werden, weil es an der entsprechenden medizinischen Ausrüstung fehlt. „Es konnte nur noch die Notfallversorgung stattfinden. Für Eingriffe mussten die Patienten nach Zagreb transportiert werden.“ Gefehlt haben aber auch alle Hilfsmittel, angefangen bei Rollatoren oder Rollstühle oder Gehstöcke.

Durch einen privaten Kontakt erfuhren die Ehrenamtlichen des Kreisverbandes Esslingen frühzeitig von der Notlage, sammelten Material und transportierten es bereits im Februar nach Kroatien. Auch die Feuerwehren der Region halfen mit technischem Gerät und die Menschen erfuhren zudem viel Unterstützung durch ihre privaten Kontakte nach Deutschland.

Anfang April fragte sein Kollege aus dem Nachbarlandkreis bei Raimund Matosic an, ob auch von hier aus ein Hilfstransport organisiert werden könnte. „Ich habe in den Alb-Fils-Kliniken nach Material gefragt und wurde dort großzügig unterstützt“, freut sich der Kreisbereitschaftsleiter.

An einem der LKWs befand sich auch die alte Feldküche des Ortsvereines Hattenhofen/Voralb, die erst vor wenigen Wochen durch eine neue ersetzt worden war. Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart seine Zustimmung gegeben hatte, hatte sie nach ebenfalls nach Kroatien gebracht werden können. Dort wurde sie sehnlichst erwartet. Denn die Menschen, die nicht mehr in ihre Häuser zurückkönnen, werden noch monatelang, vielleicht sogar über Jahre hinweg, in provisorischen Container leben müssen.

Einen ganzen Tag lang hatten Professor Dr. Oliver Dürr, Raimund Matosic, Andreas Pfeiffer und Tobias Neugebauer die beiden Göppinger LKWs mit Hilfsmitteln beladen – insgesamt waren es rund sechs Tonnen – bevor es am frühen Samstagmorgen in Richtung Südost-Europa losging. Entsprechende Ladelisten waren für eventuelle Grenz-Formalitäten erstellt worden. Nach einer dreizehnstündigen Fahrt war der Konvoi mit zehn Fahrzeugen (sechs LKWs, vier Mannschaftstransportwagen) in Zagreb angekommen. Nach einer kurzen Nacht fuhren die Rotkreuzler nach Sisak, waren schockiert angesichts des Ausmaßes der Zerstörung. Und erlebten eine unglaubliche Dankbarkeit für die Hilfe. „Wir wurden mit feuchten Augen empfangen. Mit so viel Material hatten die kroatischen Ärzte nicht gerechnet“, erinnert sich Raimund Matosic an die Begegnung in der Klinik von Sisak. Die Ärzte dort hatten zuvor eine Liste mit den Materialien zusammengestellt, die sie am dringendsten benötigten und nach Deutschland geschickt. Dazu gehörten auch Patienten-Monitore und Betten. Diese „Wunschliste hatte zu hundert Prozent erfüllt werden können.“ Damit hatte niemand gerechnet.

Nach dem Ausladen und einer weiteren Nacht in einem Vorort von Zagreb fuhren die LKWs wieder zurück. Weitere Abladeorte waren diverse Altern- und Pflegeheime in Sisak, Petrinja und Hrvatska Kostanica, das Zentrallager des Zivilschutzes, das Kroatische Rote Kreuz in Sisak und das Therapiezentrum KAS in Petrinja. Auch wenn sich die Fahrer abwechselten, „die Fahrt war unglaublich anstrengend“. Für den DRK-Kreisbereitschaftsleiter war sie freilich nicht unbekannt. Seine Eltern waren aus Kroatien nach Deutschland gekommen und die 800 Kilometer lange Strecke gehörte ganz selbstverständlich zu den Urlaubsfahrten seiner Kindheit. Zweisprachig aufgewachsen, war er beim Hilfstransport wichtiger Ansprechpartner.

„Es ist ein gutes Gefühl helfen zu können, und sehr eindrücklich, einmal anders helfen zu können“, stellt der erfahrenen Rotkreuzler fest. „Bei uns sind es in erster Linie notfallmedizinische Einsätze. Hier war es humanitäre Hilfe. Das ist eine ganz andere Facette des Helfens.“ Die Bilder, die er gesehen hat, „kennen wir sonst nur aus den Medien. Plötzlich waren sie aber ganz nahe da, in Europa, gerade mal so weit entfernt, wie Hamburg.“

Bei dem verheerenden Erdbeben waren vergleichsweise wenige Menschen zu Tode gekommen. „Zum Glück passierte es mittags um zwölf. Das waren wenige Menschen zu Hause.“

Info:
Hilfstransporte ins Ausland müssen vom Generalsekretariat genehmigt werden. Es braucht eine Schwestergesellschaft im Ausland. Die beiden Kreisverbände haben in diesem Fall eng mit dem kroatischen Roten Kreuz zusammengearbeitet.

Zusammenfassung:

„Wir haben es geschafft!“

  • 50 t Hilfsgüter
  • 10 Fahrzeuge
  • 2 Anhänger
  • 1 Feldküche
  • 23 Helfende: 19 vom DRK, 4vom kroatischen Verein „Vila Croatia“
  • 3 Tage
  • circa. 900 Einsatzstunden
  • circa 20.000 km

Wir danken der Alb-Fils-Klinik Göppingen, für die Überlassung des medizinischen Material für die Klinik in Sisak.

Herzlichen Dank für die tolle Zusammenarbeit:

DRK Kreisverband Esslingen e.V.
DRK Kreisverband Ulm e.V.
DRK Landesverband Baden-Württemberg e.V.
DRK Landesschule Baden-Württemberg gGmbH
Vila Croatia, Stuttgart

VATROGASNA ZAJEDNICA SISAČKO-MOSLAVAČKE ŽUPANIJE (Kreisfeuerwehrverband Sisak-Moslavina)
Ministarstvo unutarnjih poslova Republike Hrvatske
Ravnateljstvo civilne zaštite (Zivilschutz Kroatien)
Hrvatski Crveni Kriz Sisak (Kroatisches Rotes Kreuz, Sisak)

Aus dem DRK Kreisverband Göppingen e.V. begleiteten den Transport:

  • Raimund Matosic, Kreisbereitschaftsleiter, DRK Ortsverein Geislingen-Oberes Filstal
  • Tobias Neugebauer, stv. Kreisbereitschaftsleiter, DRK Ortsverein Göppingen-Schurwald
  • Andreas Pfeiffer, Beauftragter für den Katastrophenschutz, DRK Ortsverein Hattenhofen-Voralb
  • Prof. Dr. Oliver Dürr, stv. Bereitschaftsleiter, DRK Ortsverein Hattenhofen-Voralb