Tea schüttelt sich kurz und läuft zu ihrer Mutter Evelyn Rosenbaum. Gerade hat das Mädchen den Schnelltest absolviert – jetzt heißt es auf das Ergebnis warten. Die Geislinger Familie – mit dabei sind noch Vater Jörg und Teas Bruder Paul – gehört zu rund 90 Menschen, die sich am Tag vor Heiligabend in der Fünftälerstadt auf das Coronavirus testen lassen. „Wir treffen am ersten Weihnachtsfeiertag meine Eltern“, erzählt Jörg Rosenbaum. Sein Vater wird nächstes Jahr 80, hat ein Lungenproblem und sei „dem Tod schon mehrmals von der Schippe gesprungen“, sagt Rosenbaum. „Da ist es klar, dass wir eine Runde vorsichtiger sein wollen.“ Der Schnelltest gebe zumindest ein bisschen mehr Sicherheit, meint Evelyn Rosenbaum. Die Familie ist vorsichtig: Die Kontakte sind seit Tagen auf Null heruntergefahren, an Heiligabend bleiben die vier alleine zu Hause – das erste Mal überhaupt, wie Evelyn Rosenbaum erzählt. „Darauf freuen wir uns sogar ein bisschen.“
Dr. Thomas Holubarsch, Oberarzt an der Helfenstein-Klinik und Arzt des ausrichtenden DRK-Ortsvereins Geislingen, schaut sich die Testaktion vor der Jahnhalle aus einem ruhigen Eckchen an. Er sei hier, falls jemand nach einem positiven Testergebnis Fragen habe, sagt er; „ansonsten brauchen mich die Leute vom Roten Kreuz nicht, die machen das ja super“. Die Schnelltestaktion findet er „sehr gut“, betont aber: „Das gilt unter dem Aspekt, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt.“ Darauf weist auch Kreisbereitschaftsleiter Raimund Matosic hin und erklärt: „Ist die Viruslast im Körper zum Zeitpunkt des Tests noch nicht hoch genug, weil man am Anfang der Infektion steht, kann das Ergebnis negativ ausfallen. Einen Tag später sieht es vielleicht schon ganz anders aus.“
Wichtig ist deshalb – und das wird an diesem Tag keiner der Mitwirkenden müde zu betonen –, dass sich jeder trotz eines negativen Tests weiterhin an die Regeln hält: Abstand halten, Maske tragen, beim Aufenthalt drinnen regelmäßig lüften. Trotz der Unwägbarkeiten hält auch Raimund Matosic die Testaktion für gut: „Die Alternative wäre, nicht zu testen.“ Doch er betont: „Der Appell an alle steht nach wie vor: Am besten ist es, man reduziert die Kontakte so gut wie möglich.“ Wer vorhat, die Verwandtschaft über die Feiertage verteilt, statt geballt zu treffen, dem rät der Kreisbereitschaftsleiter dringend ab: „Dann hat man in der Summe doch wieder viele Kontakte – das wäre kontraproduktiv.“
Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Roten Kreuzes ist die zweitägige Testaktion im Auftrag des Sozialministeriums ein Kraftakt. Die Vorlaufzeit war kurz, erst Anfang Dezember konnten Matosic und seine Kameraden in die Organisation einsteigen – „das war sportlich“, sagt er. Auch in Süßen und Göppingen gibt es an den beiden Tagen Testaktionen des Roten Kreuzes, weitere Hilfsorganisationen bieten ebenfalls kostenlose Schnelltests an (wir berichteten). Läuft alles wie geplant, können an den drei DRK-Stationen im Landkreis insgesamt rund 1.500 Testungen vorgenommen werden.
Die Geislinger DRK-Mitglieder schaffen 30 Tests pro Stunde. Sie sind an Tag eins mit 51 Personen im Einsatz, heute sind es noch einmal 46. Emelie Grothe ist eine von ihnen. Sie kann verstehen, dass sich viele wenigstens ein bisschen Gewissheit verschaffen wollen – auch wenn sie selbst es ein wenig beängstigend findet, jetzt auf so viele Menschen zu treffen. Um ein potenzielles Ansteckungsrisiko möglichst gering zu halten, findet die Aktion im Freien statt, die DRK-Mitarbeiter selbst werden an jedem Tag getestet und sind gut eingepackt mit Handschuhen und Maske.
Noch ein paar Schutzschichten mehr trägt Jens Currle. Der stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende nimmt in einem Pavillon die Tests vor. Zu Schutzanzug und FFP2-Maske kommen ein Visier – und ein doppeltes Paar Handschuhe. Vor jeder neuen Testperson streift sich Currle ein neues Paar über, so kann es zu keiner Übertragung kommen.
Die Aktion ist durchgeplant: Warten in der Schlange – mit Abstand natürlich –, anmelden, Einweisung für den Test und das Verhalten im Fall eines positiven Ergebnisses, wieder anstellen für den Test, 20 bis 25 Minuten aufs Ergebnis warten. Die Atmosphäre ist ruhig, die Menschen kommen frühzeitig zum vorab reservierten Termin, warten geduldig und beachten die Regeln – für den Sicherheitsdienst gibt es nicht viel zu tun. Es sind Familien wie die Rosenbaums dabei, viele Ältere, aber auch Junge wie Sina Freichel aus Stuttgart, die sich mit ihrem Freund durchchecken lässt, um danach etwas entspannter zu ihren Eltern fahren zu können, die in Geislingen wohnen.
„Ihre Eintrittskarte, bitte“, sagt Jens Currle munter zu einem jungen Mann. Er meint die Prüfnummer, die jeder an der Anmeldung erhält und die auf dem Test vermerkt wird. So kann sie später leicht zugeordnet werden, ohne dass mehrmals Daten abgefragt werden müssen. Der Test dauert wenige Sekunden und ist, wie eine Frau erleichtert meint, „gar nicht so schlimm, wie ich mir das vorgestellt habe“. Jens Currle schiebt zuerst das Teststäbchen in die Nase und befördert es bis in den oberen Rachenraum, wo er es mehrmals dreht. Danach muss es in eine Lösung gegeben werden, die anschließend auf den Test geträufelt wird. DRK-Mitarbeiter Dominik Wörz nimmt die Schnelltests entgegen und prüft die Ergebnisse.
Für Sina Freichel hat das Warten ein gutes Ende: Sie und ihr Freund sind negativ. „Ich bin froh“, sagt sie. Und auch die Rosenbaums atmen auf: „Für uns ist es positiv, weil alle unsere Testergebnisse negativ sind“, sagt Jörg Rosenbaum. Und seine Frau fügt erleichtert hinzu: „Jetzt können Oma und Opa kommen.“
Info Die Termine des DRK heute sind ausgebucht.