Entspannt sitzt Niko Schneider am Steuer des ATV (All Terrain Vehicle) der DRK-Bergwacht Geislingen-Wiesensteig. Der 48-jährige Leiter der Bergwacht schaltet, während das Fahrzeug steht, per Knopfdruck die Differentialsperre zum Allradantrieb dazu. Vor ihm liegt ein steiler Pfad in den Wald, oben kommt nach einer Kuppe ein tiefes, wassergefülltes Matschloch. Schneider gibt Gas. Das gut fünf Zentimeter tiefe Profil der Reifen des ATV der Marke Can-am greift sicher und langsam fährt das Fahrzeug nach oben. Schlamm spritzt in alle Richtungen, das ATV arbeitet sich vorwärts. Als ob es die Hindernisse gar nicht gäbe.
Aus diesem Grund hat die DRK-Bergwacht Geislingen-Wiesensteig im vergangenen Jahr in dieses außergewöhnliche Fahrzeug investiert. „Damit können wir die Strecke zwischen dem Punkt, bis zu dem unser Bergrettungsfahrzeug, ein VW-Bus mit Allradantrieb, noch fahren kann und einer Person in einer Notlage im Gelände viel schneller zurücklegen als wie bisher zu Fuß“, erläutert Niko Schneider. Nicht nur das: Zur Ausrüstung des ATV, das einem Quad ähnelt, gehört eine Seilwinde, um das Fahrzeug in steilem Terrain zu sichern oder wieder aus dem Matsch zu ziehen – sollte dies nötig werden. Außerdem befindet sich in einem großen Transportsack Rettungsmaterial wie ein Ersthelfer-Rucksack und die persönliche Schutzausrüstung wie Helme, Klettergurte oder Seile. „Auch der Notarzt ist bei Bedarf mit dem ATV viel schneller am Einsatzort“, fährt Niko Schneider fort.
Das ATV kommt im gesamten Landkreis zum Einsatz. Denn bislang ist die Bergwacht Geislingen-Wiesensteig die einzige Gruppierung innerhalb des DRK, das ein solch universell einsetzbares Geländefahrzeug besitzt. Bis zu 100 Kilometer Spitzengeschwindigkeit kann das „Maverick Trail DPS 1000 T“ mit seinem Automatikgetriebe auf der Straße fahren. Es hat 75 PS, 1000 Kubikzentimeter Hubraum und wiegt ohne Material 618 Kilogramm.
Die bewegliche Gelände-Kraftmaschine ist mit einer Sondersignalanlage und einer Funkverbindung ausgestattet. Damit ist sie mit Blaulicht und Martinshorn für den Not-Einsatz genauso ausgerüstet wie mit Gelblicht und Pistensignal für den Rettungseinsatz auf der Ski-Piste. „Wenn wir das ATV auf der Piste oder auf der Langlauf-Loipe nutzen, ersetzen wir die Reifen durch vier Raupen, die speziell für Schnee und Eis ausgelegt sind“, berichtet Schneider. Das verringert seine Geschwindigkeit deutlich. „Damit sind wir von Wiesensteig nur etwa bis zum Bossler im Gelände im Einsatz.“
Niko Schneider fährt gerne mit dem ATV. Aber als leidenschaftlicher Mountainbiker, Down-Hiller und Skifahrer zieht er das Fahren im Gelände mit dem Fahrrad oder eben mit Skiern dem Vierradfahrzeug vor. Ein knappes Dutzend Bergwacht-Retter haben den Einsatz mit dem Fahrzeug bereits geübt. „Langfristig werden alles Bergwacht-Mitglieder mit dem ATV in schwerem Gelände fahren können“, betont der Leiter der etwa 40 Aktiven im 220 Mann (und Frau) starken Gruppierung.
Im Vorfeld haben er und seine Mitstreiter lange überlegt, ob sie sich für ein Quad oder ein ATV als Einsatzfahrzeug im Gelände entscheiden sollen. Die Entscheidung fiel schließlich für das „Side-by-Side“-Modell, wie das ATV im Fachjargon genannt wird. „Es hat die bessere Straßenlage und lässt sich viel leichter fahren“, begründet Schneider. Zudem ist es sicherer. „Dank der Vierpunkt-Gurte und den Überrollbügeln, dem festen Dach und der Frontscheibe müssen wir keine Sturzhelme tragen.“
Was er damit meint, wird im Gelände rund um Wiesensteig schnell deutlich. Bergwachtler Max Schmid mimt den Verletzten. Er wird von Niko Schneider und dessen Mitstreiter Markus Baumert in den Rettungssack auf der Gebirgstrage gepackt, die hinten außen auf dem ATV mit Rätschengurten festgeschnallt wird. Dort liegt er – bewegungslos – während Schneider durch Matschspuren und Schlammlöcher rutschend den knappen Kilometer dorthin zurücklegt, wo der VW-Bus und feste Straßen warten. „Unangenehm fand ich das jetzt nicht. Das Fahrwerk federt viel vom holprigen Gelände ab. Und ich habe volles Vertrauen in den Fahrer“, sagt der 19-Jährige und lacht. Aber er kann sich gut vorstellen, dass nicht jeder tatsächlich Verletzte diesen Not-Transport entspannt sieht. „Deshalb sind die Seiten und das Heck des ATV aus undurchsichtigem Material. „Das lässt sich zurückfalten und der Beifahrer kann von seinem Sitz aus mit dem Verletzten reden und ihn auf diese Weise beruhigen“, erklärt Niko Schneider.
Gekostet hat der kleine Allrounder 35.000 Euro. 90 Prozent davon hat das Land übernommen. Es schreibt nämlich ein entsprechendes Fahrzeug neuerdings für die Bergwachten vor. „Die restlichen zehn Prozent haben wir über die GZ-Aktion „Gemeinsam geht’s besser“ im vorletzten Jahr finanziert“, freut sich Niko Schneider.