Gerri hat ein Problem. Er ist Zimmermann, hat in der prallen Sonne auf dem Dach gearbeitet, einen hochroten Kopf mit wenig Haaren und ihm ist schlecht, er wirkt schläfrig und langsam, hat kalten Schweiß auf der Haut. Was tun? DRK-Rettungssanitäterin Emelie Grothe stellt Gerri und sein Problem kurz vor, jetzt müssen die neun Schüler*innen, die sie zu Schulsanitäter*innen ausbildet, ran.
Heißt: Sie müssen sagen, was sie mit Gerri machen würden, wenn sie als Schulsanitäter*innen um Hilfe gebeten werden. Also: kurz untersuchen: Wie atmet Gerri? Wie ist sein Puls? Kann er sich orientieren? Hat er Temperatur? „Und dann?“, fragt Grothe. „Dann muss er in den Schatten“, sagt eine Schülerin. Muss er auch, er hat wohl zu viel Sonne bekommen. Aber: Decke nicht vergessen, mahnt Grothe. Sonst fängt Gerri im Schatten schnell an zu frieren und zu zittern, der kalte Schweiß auf seiner Haut bringt dann zu viel Abkühlung. Gerri kann also geholfen werden, damit ist der Theorie-Teil der Ausbildung an diesem Donnerstag in einem Klassenraum der Kaufmännischen Schule in Geislingen erstmal abgeschlossen. Kurze Pause, dann folgt die Praxis-Ausbildung.
„Basis für die DRK-Schulsanitäter-Ausbildung ist ein ganz normaler Erste-Hilfe-Kurs“, sagt Sebastian Grothe. Er ist Ausbilder beim DRK und auch ganz normaler Lehrer an der Kaufmännischen Schule in Geislingen, unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Er leitet die Schulsanitäter-Ausbildung in Geislingen, die DRK-Rettungssanitäterin Emelie Grothe vorn am Pult ist seine Schwester.
Nach der Ausbildung stoßen die ausgebildeten und geprüften Sanitäter*innen zum Schulsanitätsdienst-Team. Denn: Alle Auszubildenden sind auch Schüler*innen der Kaufmännischen Schule, sie helfen dann im Notfall ihren Mitschüler*innen und Lehrer*innen. Jeden Tag hat ein anderes Tandem Dienst, im Ernstfall werden die beiden Sanitäter*innen über ihr Diensthandy benachrichtigt, eilen sofort ins Schulsekretariat, holen den Notfallrucksack und ziehen los zum Einsatzort irgendwo in der Schule oder auf dem Schulhof.
„Rund 20 Einsätze gibt es im Jahr“, sagt Sebastian Grothe. Oft geht es glimpflich aus, manchmal – „zwei- bis fünfmal im Jahr“ – rufen die Schulsanitäter*innen einen Rettungswagen zur Hilfe. Ansonsten helfen sie selbst, sind für die rund 900 Schüler*innen der Schule da. Wie sie das machen, das bringen ihnen die Grothes bei. „64 Unterrichtsstunden sind es“, sagt Sebastian Grothe, während der Schulzeit, am Wochenende und in den Ferien. Mit Theorie und „viel praktischer Ausbildung“, sagt er, „damit Routine in die Abläufe kommt“, im Ernstfall geht dann alles wie von selbst.
Dann ist die Pause vorbei, jetzt kommt die Praxis. Simon und Lukas müssen kurz den Raum verlassen. „Wer hat Lust, bewusstlos zu sein?“, fragt Emelie Grothe. Mitschüler Lorenzo mimt den Verletzten mit Platzwunde am Kopf, er liegt auf einer gelben Matte mitten im Klassenzimmer. Jetzt müssen Simon und Lukas ran: Lorenzo hat eine Platzwunde und ist bewusstlos zusammengebrochen, das gibt ihnen Ausbilderin Emelie Grothe noch mit, als sie mit dem Notfallrucksack in den Raum kommen. Schutzhandschuhe an, Atmung prüfen, Puls auch, dann bringen die beiden den Verletzten in die stabile Seitenlage und legen einen Kopfverband an, dann „übergeben“ sie Lorenzo an den Rettungsdienst, den Ausbilderin Emelie Grothe „spielt“. „Denkt bitte daran, die Atmung alle paar Minuten zu prüfen“, gibt ihnen Emelie Grothe zum Schluss noch mit, als Lorenzo schon wieder steht und sich die Mullbinde vom Kopf herunter wickelt.