· NWZ 2015

Armut steht der Teilhabe im Weg

In der Süßener Zehntscheuer diskutierten Fachleute, wie Inklusion im Landkreis umfassend gestaltet werden kann.

Treffen der Wohlfahrtsverbände im Landkreis. Inklusion – bei diesem Begriff denken die meisten an Menschen mit Behinderung. Sie wird zwischenzeitlich aber allumfassend betrachtet. Bei einem Fachtag diskutierten Experten die Situation im Landkreis.

Kreis Göppingen - „Wer rein will, darf rein.“ Und: „Inklusion funktioniert dann, wenn alle etwas davon haben“, sagt Tina Alicke vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Frankfurt. Jetzt stellte sie in der Zehntscheuer Süßen auf Einladung der „Liga der freien Wohlfahrtsverbände im Landkreis“ (LIGA) das neue Verständnis, die aktuelle Definition von Inklusion vor. Die gehe davon aus, dass Vielfalt etwas Normales ist. Ziel sei es, eine Gesellschaft herzustellen, an der alle teilhaben können. Dies stehe nicht im Ermessen der Politik, sondern sei „gesetzlicher Auftrag durch die UN-Behindertenrechtskonvention und Artikel drei des Grundgesetzes“, betonte Hans-Peter Gramlich, Sozialdezernent des Landkreises. Derzeit werde das Thema auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen diskutiert.

Dabei lässt sich ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel feststellen. „Es geht nicht mehr um Merkmale und Schubladen, sondern um die Abkehr von der Zielgruppenorientierung hin zur Bedürfnisorientierung“, betonte Tina Alicke. Das erfordere ein Umdenken und sei auch gerade für jeden Einzelnen eine große Herausforderung, die Angst macht. In jedem Falle ergeben sich Spannungsfelder aus der Frage: Wer entscheidet, was gut ist? Und wer definiert Bedürfnisse?

In der von Dorothee Kraus-Prause moderierten Diskussion wurde deutlich, dass es Bereiche gibt, in denen sich Inklusion leichter umsetzen lässt, etwa in der Arbeit mit Behinderten oder mit Senioren. „Armut oder Arbeitslosigkeit wird dagegen immer noch als selbstverschuldet betrachtet“, stellte Sabine Stövhase fest. Alexander Sparhuber, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands, führte aus, dass in den Senioreneinrichtungen bereits durch zusätzliche Betreuungsangebote Inklusion sichergestellt werde. Anders sieht es im Bereich Wohnen aus. „Das Thema kommt mit Macht nach oben“, so Jürgen Hamann von der Arbeiterwohlfahrt. Er beklagte, dass sich auch im Kreis Kommunen teilweise aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen haben.

Friedrich Kauderer vom Diakonischen Werk sieht die Inklusion bei Menschen mit geringem Einkommen in weiter Ferne. „Alleinerziehende, teilzeitbeschäftigte Mütter hangeln sich von der Stromnachzahlung zur kaputten Waschmaschine.“ Von Armut am stärksten betroffen seien Langzeitarbeitslose, weiß Karin Woyta vom Paritätischen. Sie seien von Opfern zu Tätern gemacht worden, von Menschen, denen etwas fehlt, zu Leistungsempfängern. Auch hier könne noch lange nicht von Inklusion gesprochen werden. Das sei erst der Fall, wenn jeder Mensch entsprechend seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten seinen Platz in der Gesellschaft ganz selbstverständlich erhält, betonte Tina Alicke.

Info: Der „Liga der freien Wohlfahrtsverbände im Kreisverband Göppingen“ gehören die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk und der Paritätische an.