· NWZ 2019

„Wir werden einen sehr langen Atem brauchen“

Unter anderem diskutierten (von links) Sümeyra Adislioglu, Karin Herrlinger (Zentrale Beratungsstelle für Zugewanderte), Dawod Rabiei, Heike Gehrer-Shelby (Zentrale Beratungsstelle für Zugewanderte).

Gelungene Integration von Geflüchteten war Thema des Fachtages der „Liga“.

Göppingen - „Wenn wir mit dem Thema richtig umgehen, kann alles positiv gelingen“. Johannes Martin Jeutter weiß, wovon er spricht. Der Unternehmer beschäftigt in seinem Gartenbaubetrieb geflüchtete Jugendliche und wirbt als Regionalbotschafter des bundesweiten „Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ unermüdlich für eine offene Gesellschaft, die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aufnimmt, ihnen Lebensperspektiven ermöglicht. Er stellte sein Konzept beim diesjährigen Fachtag der Liga der Freien Wohlfahrtspflege (Liga) vor, bei dem auch Betroffene zu Wort kamen. „Nach wie vor wird kein Thema so kontrovers diskutiert. Wir wollen es von vielfältigen Blickwinkeln betrachten“, so Lisa Kappes-Sassano, die Vorsitzende der Liga.

Zunächst hatte Lucia Braß, Vorsitzende des Landesflüchtlingsrates, bei der von Dorothee Kraus-Prause moderierten Veranstaltung eingefordert: „Wir müssen Bedingungen schaffen, damit sich die Menschen integrieren können“. Tatsächlich würden die Hürden aber höher, immer mehr Menschen etwa von den so wichtigen Sprachkursen ausgeschlossen. Etwa, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen.

Dawod Rabiei, unter unvorstellbaren Strapazen aus dem Iran geflohen, aber kann nicht gefahrlos im iranischen Konsulat einen Pass beantragen. Der Architekt macht eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer, kann nicht verstehen, „dass Sie wissen, wie gefährlich das Regime ist und dennoch von uns verlangen, einen Pass vorzulegen“.

Auch die Flucht von Sümeyra Adislioglu aus der Türkei war gefährlich. Die junge Deutschlehrerin sprach auf dem Podium offen von ihrer Einsamkeit, aber auch von dem überwältigenden Gefühl, „sicher und frei zu sein“. Sie hatte, wie sie berichtete, von Haupt- und Ehrenamtlichen „viel Unterstützung“ erfahren und sich so im Dschungel der Bürokratie zurechtgefunden.

In der Diskussion mit den Fachleuten des Landkreises klang immer wieder an, dass Flüchtlinge auch vom Goodwill der Sachbearbeiter abhängig seien. Kreissozialdezernent Rudolf Dangelmayr hielt dagegen, dass es sehr ausdifferenzierte Angebote gebe, Flüchtlinge „vom Analphabeten bis zum Akademiker“ erreicht werden müssen, dass „Sprachkenntnisse der Dreh- und Angelpunkt“ seien. Und: „Wir werden einen sehr langen Atem brauchen, alle zu erreichen“.