· NWZ 2023

„Wir müssen uns an die Situation anpassen“

Viel mehr Kundschaft, weniger Lebensmittelspenden: Die Tafelläden im Landkreis Göppingen reagieren unterschiedlich auf die aktuellen Herausforderungen.

Viele Kunden, wenig Essen.“ Kurz und knapp fasst Alexander Schnek das Problem zusammen, mit dem viele Tafelläden momentan zu kämpfen haben. Schnek ist Leiter des Bereichs Sozialarbeit beim Deutschen Roten Kreuz im Kreisverband Göppingen und damit Ansprechpartner für den DRK-Tafelladen in Ebersbach.

Zum einen verursachen die vielen Menschen, die vor dem Ukraine-Krieg in den Landkreis flüchteten, den Anstieg der Kundenzahlen, sagt er. Aber wegen der allgemein gestiegenen Kosten im vergangenen Jahr kämen auch Leute wieder, die eine ganze Zeit lang nicht mehr im Tafelladen eingekauft hätten. „Sie sind durch die Preiserhöhungen wieder in die Bedürftigkeit abgerutscht“, konstatiert Alexander Schnek.

Dazu komme, dass Supermärkte ihren Einkauf immer weiter perfektionierten, sodass sie immer weniger Ware übrig hätten, die sie spenden könnten. Der Rückgang sei zwar „nicht allzu drastisch“, sagt er, aber der Tafelladen merke es dennoch deutlich. „Das betrifft vor allem Obst und Gemüse und andere leicht verderbliche Waren.“

Im Tafelladen in Ebersbach seien diese Waren inzwischen deshalb stark rationiert, „damit auch die, die später kommen, noch Obst und Gemüse abkriegen.“

Um lange Warteschlangen zu vermeiden, ziehen die Kunden in Ebersbach bei ihrem Eintreffen Nummern, sodass es dem Zufall überlassen bleibt, wer zu den Ersten gehört oder wer länger warten muss.

Hans-Peter Kensbock, der Leiter der Carisatt-Tafelläden der Caritas Fils-Neckar-Alb in Geislingen, Göppingen und Süßen, begründet den Rückgang der Supermarkt-Frischwaren, zu denen er auch Molkereiprodukte zählt, damit, dass die Supermärkte inzwischen selber „Retter-Tüten“ packten und an unterschiedliche Lebensmittelretter abgäben. Dagegen sei ja nichts einzuwenden, betont Hans-Peter Kensbock, „aber wir spüren das halt. Und wir müssen uns an die Situation anpassen.“

Da es den Tafeln nicht erlaubt sei, selbst benötigte Ware hinzuzukaufen, seien sie anderweitig dabei, dem Problem zu begegnen: „Wir versuchen Menschen dazu zu bewegen, bei einzelnen Aktionen direkt in den Supermärkten für die Tafelläden mit einzukaufen und das zu spenden“, nennt er ein Beispiel.

Weil der Strom der Bedürftigen nicht abreiße und sich vor dem Tafelladen in Göppingen täglich bereits ab sieben Uhr Warteschlangen gebildet haben – der Laden öffnet um 11 Uhr –, sei der Tafelladen in Göppingen dazu übergegangen, die Einkaufzeiten auf zweimal pro Woche pro Kunde zu beschränken. Das bedeutet, ein Kunde oder eine Kundin kann nur noch entweder Montag und Donnerstag oder Dienstag und Freitag einkaufen. Um die Einhaltung der Regel zu sichern, wird jeder Einkauf in den „Tafelausweis“, der die Bedürftigkeit des Käufers bestätigt, eingetragen.

Carisatt verkürzt Schlangen

„Den Mittwoch reservieren wir für all die, die sich nicht anstellen können, sei es, weil sie alt sind, gebrechlich, gehbehindert oder vielleicht auch schwanger oder weil sie mit Kind kommen.“ Auf diese Weise hätten sich die Warteschlangen inzwischen reduziert „und unsere Stammkundschaft, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht anstellen kann, kommt jetzt auch nach und nach wieder.“

Über die Zahl der Mitarbeiter können sich momentan weder Alexander Schnek noch Hans-­Peter Kensbock beklagen. Aber beide betonen, dass man sich trotzdem jederzeit über neue Mitarbeiter freue. Sei es „zur Entlastung der jetzigen Ehrenamtlichen“ oder „weil oft Fahrer fehlen“ oder auch speziell im August, weil dann einige Mitarbeitende im Urlaub sind.

Wer darf in der Tafel einkaufen?

Berechtigte Um in der Tafel einkaufen zu können, braucht man eine Kundenkarte. Diese erhalten Menschen, die Nachweise vorlegen, dass sie zu ihrem Lebensunterhalt Bürgergeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung beziehen. Außerdem fallen darunter Geringverdiener oder ein alleinerziehender Elternteil, der mehrere Kinder zu versorgen hat. Ebenso sind Menschen zum Einkauf berechtigt, die im Alter lediglich von einer bescheidenen Rente leben müssen.