· PM 2018

Märchennachmittag in Geislingen

Märchen gibt es auf der ganzen Welt. Im Rahmen der Interkulturellen Woche entführte der Märchenerzähler Hermann Büttner in der Geislinger Stadtbücherei seine Zuhörer in zauberhafte Welten. Dolmetscherinnen übersetzten sie in der Sprache der Kleinen.

Wenn die Freude an Märchen nicht mehr aus den Herzen der Kinder zu bekommen ist, dann hat Hermann Büttner sein Ziel erreicht. Der bekannte Märchenerzähler aus Göppingen entführte 15 Kinder in der Geislinger MAG in die zauberhafte Welt der Märchen. Das Besondere? Märchen aus drei verschiedenen Ländern wurden von Frauen aus diesen Ländern in die ursprüngliche Sprache übersetzt und so auch den Kindern zugänglich gemacht, die Deutsch noch nicht perfekt beherrschen.

Entstanden ist die Idee bei der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer des DRK Kreisverbandes Göppingen, kurz „ZEBRA“. Zusammen mit dem Projekt „Gemeinsam Sprechen. Gemeinsam Lernen“ (GS.GL.) hat sich der DRK Kreisverband Göppingen bereits zum zweiten Mal an der Interkulturellen Woche in Geislingen beteiligt. „Es geht darum, Kindern ihre Muttersprache nahe zu bringen und auch interkulturelle Erfahrungen zu sammeln“, erklärt Karin Kirchner von der Migrationsberatung. Die Wertschätzung anderer Sprachen soll damit gestärkt werden, denn das bedeutet auch Respekt gegenüber anderen Kulturen. Auch Kindern aus deutschsprachigem Elternhaus wird gezeigt, wie es sich anfühlt, wenn man eine Sprache nicht versteht. Es zeigt einerseits die Ohnmacht auf, sich nicht verständigen zu können und andererseits steigert es die Wertschätzung, derer gegenüber, die sich in kurzer Zeit eine Fremdsprache aneignen. Mit den Märchen wurden die Kinder verschiedener Herkunftsländer in die Welt der Träume entführt, die letztlich alle miteinander verbindet.

Zu Beginn der Märchenstunde erzählte Hermann Büttner ein arabisches Märchen, bei dem ein Dieb im Gefängnis saß, weil er eine Tabakpfeife gestohlen hatte. Mit viel Pfiff schaffte es der Dieb, allen Instanzen bis hinauf zum König zu verdeutlichen, dass niemand immer ehrlich war und so hat sich der kluge Dieb seine Freiheit zurückerobert. Iman Jaber, gebürtig aus dem Libanon, hat dieses Märchen für die Kinder ins Arabische übersetzt. Die Dolmetscherin für Flüchtlinge lebt selber seit 30 Jahren in Deutschland und hat mit sehr viel Ausdruck die Geschichte um den Birnenkern, den nur pflanzen darf, wer immer ehrlich war, wiedergegeben.

Nach einer kurzen Pause, in der sich die Kinder mit Getränken und Süßigkeiten stärken durften, ging es mit einem persischen Märchen weiter. Es erzählte von einem kleinen Hasen, der am Ende stärker war als Elefant und Walfisch, die eigentlich gemeinsam die Welt im Wasser und am Land beherrschen wollten. Hermann Büttner klärte die Kinder auf, dass Persien ein wunderschönes Land ist, das rund drei Flugstunden von uns entfernt ist. An der Wand des Veranstaltungsraumes hingen Zeichnungen, die die drei Märchen bildlich darstellten. So bekamen die Kinder eine Vorstellung von den jeweiligen Geschichten. Er erzählte den Kindern auch, wie seine Leidenschaft für Märchen entstanden ist. Denn als er selbst im Grundschulalter war, war in Deutschland eine schlimme Zeit, wie er berichtete. Der Krieg war gerade vorbei und abends war es dunkel, da es keinen Strom gab. Da nahmen seine Großeltern ihn auf den Schoß und erzählten ihm Geschichten aus der Märchenwelt. Diese Faszination hat ihn bis heute nicht mehr losgelassen und in allen Stationen seines Lebens konnte er diese Begeisterung mit anderen teilen.

Als drittes Märchen erzählte Hermann Büttner von den drei Federn. Diese Geschichte haben die Gebrüder Grimm aufgeschrieben, die ihnen von einem Russen erzählt wurde, der in Frankreich war und als Soldat nach Deutschland kam. Dinara Batruddinova übernahm wiederum die Übersetzerrolle und erzählte in ihrer russischen Muttersprache den langen Prozess, bis der König unter seinen drei Söhnen denjenigen ausmachte, der nach seinem Tod seine Nachfolge übernehmen sollte. Hermann Büttner betonte, wie faszinierend es sei, der Sprachmelodie der jeweiligen Übersetzung zu lauschen. Denn er gab unverhohlen zu, dass er selbst kein Wort der ursprünglichen Märchensprache verstand.

Mit dem abschließenden Märchen um Frau Holle zeigte er noch auf, was tatsächlich in diesen überlieferten Erzählungen alles versteckt ist. Denn wann fängt die Natur an zu blühen? Wann ist das Korn reif, um Brot zu backen? Wann reifen die Äpfel und wann schneit es? Den gesamten Jahreskreislauf erzählt dieses Märchen von der Goldmarie und der Pechmarie. Für Hermann Büttner war die Märchenstunde ein Erfolg: „In den Erwachsenen konnte ich Kindheitserinnerungen wecken und die Kinder konnten vor Spannung die Augen nicht mehr von mir nehmen“, fasste er zusammen. Mit seiner Gestik und Mimik hat er die Geschichten auch förmlich zum Leben erweckt.

Zum Abschluss gab es für die Kinder noch das Angebot, die gerade erlebten Geschichten zu malen. Voller Eifer machten sich die Kleinen über Papier und Stifte her und zeichneten aus ihrer Erinnerung das Gehörte. „Es ist toll, dass wir mit dieser Veranstaltung die Kindergarten- und Grundschulkinder in ihrer Welt abholen, und sie mit den Märchen faszinieren konnten“, umreißt Christian Stock von der Migrationsberatung des DRK Kreisverbandes Göppingen die Intention des Märchennachmittages.