· PM 2023

„Holen die Menschen ins Leben zurück“

Märchen schaffen eine zauberhafte Welt, von der sich auch Menschen mit Demenz begeistern lassen. Die professionelle Märchenerzählerin Maria-Magdalena Gonzales trägt im DRK-Seniorenzentrum Hattenhofen bekannte Märchen vor.

„Es war einmal …“ – so beginnt jedes gute Märchen und nimmt dann die Menschen mit in eine zauberhafte Welt mit Prinzessinnen und Prinzen, sprechenden Tieren, Elfen und Feen. Menschen mit einer demenziellen Erkrankung erinnern sich an die Geschichten aus ihrer längst vergangenen Kindheit und sind immer wieder begeistert, wenn Maria-Magdalena Gonzales im DRK-Seniorenzentrum in Hattenhofen die klassischen Märchen der Gebrüder Grimm vorträgt. Sie summt die Melodie von „Dornröschen war ein schönes Kind“ und schon singen die Senior*innen mit. Und dann erzählt sie ausdrucksstark, akzentuiert, ganz leise und dann wieder ganz dramatisch die Geschichte der verwunschenen Prinzessin, die von einem Prinzen wachgeküsst wird. Atemlos hören ihr die Senior*innen zu, sind ganz konzentriert und gespannt. „Von einem Prinzen wachgeküsst zu werden, das wünsche ich mir auch“, stellt Maria-Magdalena Gonzales lachend und nicht ganz ernst gemeint fest. Sie fragt die Senioren, ob denn alle eine Prinzessin fürs Leben gefunden haben. „Zehn!“, bekräftigt ein älterer Herr. „Sie sind ja ein Don Juan!“

Die Schauspielerin ist in Kuba aufgewachsen und war schon als junge Frau mit Märchenerzählern in Berührung gekommen. „Erzählen ist etwas ganz Anderes als Schauspielen“, weiß sie. „Ich schlüpfe nicht in eine Rolle, ich bleibe ich.“ Auch wenn sie im goldglänzenden Märchenmantel die uralten Geschichten erzählt. Dabei erlebt sie immer wieder: „In der Interaktion mit den alten Menschen entwickelt sich die Geschichte jedes Mal ein bisschen anders.“ Sie nahm vor knapp zehn Jahren an einem Forschungsprojekt in Berlin teil, dessen Ergebnis war, dass „Märchen positive Wirkung auf die Menschen haben. Sie aktivieren das Langzeitgedächtnis und fördern die kognitiven Fähigkeiten. Und die Menschen fühlen sich als Teil einer Gemeinschaft. Wir holen sie also ins Leben zurück.“ Sie habe einen ganz eigenen Erzählstil entwickelt für Menschen mit Demenz und sich dafür eigens zur Fragen rund um die Krankheit fortgebildet.

„Lassen Sie uns ein bisschen albern sein, lassen Sie uns wieder Kinder sein!“ Sie sucht vier Begleiter*innen, die im Märchen von den Bremer Stadtmusikanten die Tiere nachahmen. „Das Thema ist aktueller denn je. Denn es ist ein Glück und ein großes Geschenk, alt zu werden! Denn darum geht es in diesem Märchen.“ Das lassen sich die Zuhörer*innen in der Cafeteria des DRK-Seniorenzentrums an diesem Vormittag nicht zweimal sagen und fallen immer an der richtigen Stelle mit den entsprechenden Tierlauten ein. Der Spaß, den sie dabei haben, ist fast greifbar.

Auch dieses Märchen endet mit „Und wenn sie nicht gestorben sind …“ und wieder vervollständigen alle den Text und freuen sich auf den nächsten Besuch der Märchenerzählerin. Sie weiß: „Das Vorlesen muss regelmäßig und strukturiert stattfinden.“